Was ist der osmotische Druck?
Es soll hier ein Gedankenexperiment durchgeführt werden, das sich gut dazu eignet, den osmotischen Druck in Analogie zum Gasdruck zu erklären. Wir stellen uns eine Zuckerlösung vor, die sich in einem sehr speziellen Gefäß befindet. Es besteht aus einer Membrane, die für die kleinen Wassermoleküle durchlässig ist, nicht aber für die großen Zuckermoleküle in der Lösung. Dieses spezielle, vollständig verschlossene Gefäß mit der Zuckerlösung wird nun in ein Wasserbecken eingetaucht.
Die Osmose sucht den Ausgleich
In dieser Situation kommt wie von Geisterhand die Osmose in Gang, denn die Natur ist wegen der generellen Entropiezunahme bestrebt, einen Ausgleich der Lösungen herzustellen. Anders ausgedrückt: Die Natur kann es nicht ertragen, dass die Konzentration der Zuckerlösung innerhalb der Membrane viel größer ist als außerhalb. Daher muss sie Wassermoleküle durch die Membrane hindurch in die Zuckerlösung einströmen lassen, um diese zu verdünnen. Dadurch erhöht sich der Druck innerhalb des Gefäßes. Dieser Überdruck wirkt natürlich dem Bestreben der weiteren Wassermoleküle, in die Membrane einzudringen, entgegen. Irgendwann stellt sich ein Kräftegleichgewicht ein und das Einströmen kommt zum Erliegen.
Man könnte das Membrangefäß auch wie den Zylinder eines Motors gestalten und an einer Seite mit einem beweglichen Kolben versehen. Damit in dieser Konfiguration kein Wasser von außen einströmt, müsste ein entsprechender Druck auf den Kolben ausgeübt werden. Auf diese Weise ist es möglich, die Konzentration der Zuckerlösung innerhalb des Kolbens zu steuern, indem der Druck auf den Kolben erhöht oder erniedrigt wird. So lässt sich gleichzeitig das Prinzip der Umkehrosmose verstehen, die früher zuweilen als Anti-Osmose bezeichnet wurde. Bei der Umkehrosmose wird also unter Zugabe von Druck die Lösung im Inneren weiter aufkonzentriert.
Worin liegt die Analogie zum Gasdruck?
Erkannt und beschrieben wurde die Analogie zwischen Gasdruck und osmotischem Druck erstmalig im Jahre 1887 durch den niederländischen Chemiker Jacobus Henricus van ’t Hoff. Er interpretierte damals den osmotischen Druck als die unablässigen Stöße der gelösten Teilchen, die in Summe auf die Membranwand jenen Druck ausüben ("Solute bombardment theory"). Zwar üben auch die Wassermoleküle Stöße auf die Membranwand aus, aber statistisch gesehen erfolgen gleich viele Impulse von innen und von außen auf die Membrane, sodass sich allein durch die Wassermoleküle kein "Netto-Druck" aufbauen kann.
Tatsächlich gelten in verdünnten flüssigen Lösungen die gleichen Gesetze, wie sie für das ideale Gas gelten:
- das Boyle-Mariotte-Gesetz
- das Gay-Lussac-Gesetz
- das Avogadro-Gesetz
Denn für den osmotischen Druck lässt sich zusammenfassen:
- Es besteht Proportionalität zur molaren Konzentration der gelösten Stoffe.
- Es besteht eine Proportionalität zur absoluten Temperatur.
- Es gilt der Standarddruck von 101,325 kPa bei der Konzentration 1 mol pro 22,4 l bei 0 Grad Celsius (unabhängig von der Art des Lösungsmittels).
Das „van-’t-Hoff’sche Gesetz“ drückt diese Voraussetzungen in dieser relativ einfachen und klaren Sprache aus: „Der osmotische Druck entspricht genau dem Druck eines Gases mit derselben Teilchendichte und Temperatur.“
Osmotischer Druck Formel
Die Formel für den osmotischen Druck Π lautet:
Π = (n/V)*i*R*T = c*i*R*T
Dabei bedeuten:
- Π der osmotische Druck
- c = n/V die molare Konzentration beziehungsweise Stoffmengenkonzentration der Lösung
- i der „van-’t-Hoff-Faktor“, das entspricht der Anzahl der dissoziierenden Teilchen in der Lösung (bezogen auf das Molekül, bei Natriumchlorid sind es zwei Teilchen, bei Glukose nur eines)
- R die universelle Gaskonstante
- T (in K) die absolute Temperatur
Ein ideales Gas zeichnet sich dadurch aus, dass die mittleren freien Weglängen zwischen den einzelnen Teilchen sehr groß sind, das heißt, die Teilchen interagieren nicht miteinander, sie beeinflussen einander nicht. Daher steht ein ideales Gas nur unter einem geringen Druck. Entsprechendes gilt auch für die Lösungen, deren Konzentrationen kleiner als 1/10 mol pro Liter sein sollten, um die Formel für den osmotischen Druck uneingeschränkt anwenden zu können.
Quellen und Verweise
- GROHMANN, Andreas Nikolaos, et al. Wasser: Chemie, Mikrobiologie und nachhaltige Nutzung. Walter de Gruyter, 2011
Artikel vom 06.01.2019